TERMIN & AKTUELLES

„Faszinierendes Zusammenspiel. Authentisch. Ein intensiver, spannender Abend, der dann im zweiten Teil auch sehr politisch wird.“, Berliner Morgenpost

 „Alexander Weise erzählt von Klasse, Emanzipation und Wut. Bewegend.“, Nachtkritik

 „Starke, intensive Momente, Bilder, Gesten, Bewegungen, Sounds.“, Stagescreen

Édouard Louis
Das Ende von Eddy oder
Wer hat meinen Vater umgebracht
Ein chorisches Theaterprojekt mit Jugendlichen und Schauspieler*innen

WA-Premiere: 19. März 2022 DIE WABE Berlin, Weitere Vorstellungen: 20./25./26. März 2022 jeweils 19 Uhr

19. März  mit Michael Rotschopf

20. März mit Franz Hartwig

25. März mit Michael Rotschopf

26. März mit Jonathan Berlin

Für Menschen ab 16 Jahren.

Mit:
(Das Ende von Eddy)
Marian Kindermann, Magdalena Kosch, Katharina Goebel, Thomas Hold und David Schwarz (Schauspieler*innen)
und Felix-Elian Lau, Ari Hagemann, Caya Krakor, Mika Sander, Emma Damerow (Jugendliche)
(Wer hat meinen Vater umgebracht)
Alexander Fehling, Jonathan Berlin, Michael Rotschopf und Franz Hartwig

Regie: Alexander Weise – Bühne/Kostüme: Nico Zielke – Musik: David Schwarz – Sprechchöre/Fassung: Alexander Weise – Produktionsleitung: Lennart Berger/Berta – PR Pädagogische Beratung: Ela Zorn – Dramaturgische Beratung: Marc Lippuner

Gefördert wird dieses Projekt vom Hauptstadtkulturfond (HKF) und dem Bezirk Pankow.

Trailer

Das Projekt

Entstehung

Das Idee zum Eddy-Projekt wurde an einem Abend in der WABE geboren, als der Regisseur Alexander Weise den Leiter der WABE Marc Lippuner fragte: „Sag mal, hast du Lust hier mit mir „Das Ende von Eddy oder Wer hat meinen Vater umgebracht“ zu machen, und zwar mit Jugendlichen und Schauspieler*innen.“ Er hatte an dem Abend eine Vorstellung in der WABE  besucht und einer Laien Musical Gruppe zugeschaut, die ein Broadway-Stück zum Besten gab. Herzzerreißend glaubhaft, da und dort schief gesungen, mitreißend und berührend. Der Laden war bumsvoll mit Menschen, groß und klein, die er in den renommierten Stadt- und Staatstheatern gar nicht mehr gesehen hatte. Er wusste, wenn er Édouard Louis‘ Romane umsetzen würde, dann hier an diesem Ort der WABE, in der Mitte des Raums und alle drumherum und nicht nur mit Schauspielern, sondern mit Jugendlichen. Und mit Schauspieler*innen, die man an solch einem Kiez Theater gar nicht erwarten würde.

Die WABE liegt am Ernst-Thälmann-Park zwischen den Plattenbauten von Pankow und dem Winsviertel der neuen Bourgoise – einzig getrennt von der vielbefahrenen Danziger Strasse. Ein idealer Ort, nicht nur in ein künstlerisches, sondern auch in ein politisches und gesellschaftliches Handeln zu kommen,  jenseits der Parameter, in die sich alle verschanzt zu haben scheinen.

Die Idee wird nun zur Realität:

Prominente Schauspieler wie Alexander Fehling, Jonathan Berlin, Franz Hartwig oder Michael Rotschopf kommen in die WABE, um mit Jugendlichen aus dem Kiez und anderen Schauspieler*innen aus Film, Fernsehen und Theater die Geschichte von EDDY zu erzählen. Die Geschichte eines Jungen, der qua seines Andersseins, seiner früh erfahrenen Homosexualität nicht akzeptiert und schließlich in der Schule gemobbt, täglich verprügelt, geschlagen und geächtet wird. Dabei vermischt sich immer wieder seine eigene erlebte Isolation, mit der Verlorenheit seiner direkten Umgebung, einer abgehängten Gesellschaft in der Provinz, die früher einmal links, nun aber Front National wählt und ständig über Ausländer und Schwule herzieht. Im Wechsel von Sprechchören, einzelnen Stimmen, Monologen und Musik wird dieser Text in einem Rund, um den die Zuschauer*innen sitzen wie um einen Schulhof, von Schauspieler*innen und Jugendlichen gleichermaßen erfass- und lesbar gemacht werden…

Am Ende steht die erfolgreiche Flucht in eine eigene Zukunft. Wie dieser Junge es schafft, seinen Weg zu gehen, ohne seine Zugewandtheit dem Leben und seiner Familie gegenüber zu verlieren, wie er einen Ausweg sucht, indem er flieht und schließlich als „erfolgreicher“ Intellektueller an den Ort des Geschehens zurückkehrt. Wie er sich dem, vor dem er geflohen war, noch einmal völlig neu stellt und dabei entdeckt, dass Empathie ein erster, möglicher Schritt in ein gesellschaftliches Handeln sein kann. Von all dem erzählt dieses Projekt mit den Stücken von Édouard Louis‘  „Das Ende von Eddy oder Wer hat meinen Vater umgebracht“.

Inhalt

Das Ende von Eddy

In „Das Ende von Eddy“ beschreibt Louis sein Leben als schwules Kind und Jugendlicher in der französischen Provinz in proletarischen Verhältnissen. Er wird qua seines Andersseins und seiner „Hüftschwünge“ zu Hause in seiner brutalen Familie noch als etwas Besonderes gesehen.

In der Schule wird er dafür nur noch gemobbt, täglich verprügelt, geschlagen, geächtet. Louis beschreibt diese Kindheit sehr direkt, brutal, roh, klar, ohne Umschweife. Wahrhaftig. Aber immer mit einem Hauch von Empathie für seine Umwelt.

Er beschreibt sehr plastisch und ohne Filter die sozialen Begebenheiten, in denen er aufwächst. Immer wieder vermischt sich in den Erzählungen Louis‘ die „Sicht der Leute“ mit seinem eigenen erlebten Schmerz, ein Verweben der Verlorenheit des Schwulen, „Ist das jetzt ein Kerl? Ja oder Scheiße? Warum? Warum ist der so? Die reinste Tunte! Ich hab ihn nicht erzogen wie ein Mädchen (Vater)“, mit der Verlorenheit der Arbeiterklasse, die seine Familie, sein Ursprung ist. Einer abgehängten Gesellschaft in der Provinz, die früher einmal links, nun aber Front National wählt und ständig über Ausländer und Schwule herzieht. Im Wechsel von Sprechchören, einzelnen Stimmen/Monologen und Musik soll dieser Text in einem Rund, um den die Zuschauer sitzen wie um einen Schulhof, von Schauspielern und Jugendlichen gleichermaßen erfass- und lebbar gemacht werden.

Am Ende steht die erfolgreiche Flucht in eine eigene Zukunft.

Wer hat meinen Vater umgebracht?

Auf diesen Schulhof kehrt dann der Ältere, nun Intellektuelle, mit Louis‘ Text „Wer hat meinen Vater umgebracht“ aus der Großstadt zurück und stellt sich der Vergangenheit völlig neu. Vor allem seinem Vater,, der trotz einer schweren Rückenverletzung gezwungen ist, seinen Lebensunterhalt als Müllsammler und Feger zu bestreiten und dabei zu zerbrechen droht.

Die Gesetzesreformen erschweren ihm hierbei zu überleben. Was macht das mit EDDY? Was macht der Leidensdruck des Vaters mit seinem eigenen? Am Anfang steht noch ein „großer, weitläufiger, leerer Raum“.

Am Ende schließlich eine klare Schuldzuweisung nicht mehr an seinen Vater, sondern an die globalen, gesellschaftlichen Strukturen, Zwänge, Alternativlosigkeiten, namentlich an die verantwortlichen Politiker*innen. Wie dieser Rückkehrer zu dieser Schuldzuweisung kommt, wie er sich gedanklich, emotional und sprachlich durcharbeitet, das darf und soll der Zuschauend*e im zweiten Teil des Abends Schritt für Schritt mit diesem Text an diesem Ort mit dem zuvor Gesehenen im Herzen erleben, als Teil eines Monologs. Das tolle ist: Für diesen Monolog stellen sich jeden Abend  Schauspieler Alexander Fehling, Jonathan Berlin, Franz Hartwig oder Michael Rotschopf, zur Verfügung. 

Die Schauspieler*INNEN

Alexander Fehling

Marian Kindermann

Egal, wann ich am morgen wo sein muss, eine Stunde bevor ich meine Wohnung verlasse, mache ich mir Kaffee und lese. Das ist so seit ich angefangen habe, erwachsen zu werden. 

Ich habe mich entschieden Schauspieler zu werden, um auszureißen. Auch aus meiner Haut. Jetzt versuche ich ständig mich einzufangen und bei mir zu bleiben. Juliette Binoche sagt, es gibt einen Ort in der Brust, der sagt dir, ob „es stimmt“. Dein Spiel, dein Leben, der Moment in dem du bist. Es gibt wenig schöneres für mich als einen Moment, der stimmt. 

„Ich denke Eddy kämpft sehr lange gegen das Gefühl an, dass etwas nicht stimmt, – mit ihm, aber auch mit der Gesellschaft. Aber es liegt nicht an ihm. Es ist die Gesellschaft mit der einiges nicht stimmt. 

Rassismus ist für mich das Gegenteil von Nächstenliebe, die Missachtung der Gleichberechtigung und die fatalste Schwäche des Menschen. Sie ist Ursache für die Ermordung von sechs Millionen Juden im Nationalsozialismus, zweihundert und zwanzigtausend bis fünfhunderttausend Sinti und Roma, zweihundert und sechzehntausend Menschen mit einer Behinderung oder anderen körperlichen Einschränkungen, Ursache für zehn bis fünfzehntausend Homosexuelle, die in Konzentrationslagern festgehalten wurden und davon sind zirka sechzig Prozent gestorben. Rassismus ist heute vor allem ein „white Privilige“ das unsere Wirtschaft am laufen hält und die Preise so günstig macht. Rassismus macht Slums, niedrig Löhne, Außengrenzen und moderne Sklaverei möglich. Es sind ja nur die Afrikaner die verdursten und deren Bauernhöfe nicht mehr zu retten sind. Es sind nur Muslime die im Mittelmeer ertrinken. Und wenn sie fliehen, weil sie homosexuell sind, ist das schlimm, aber sie sind eben auch homosexuell… Rassismus hört für mich bei der Hautfarbe, dem Glauben und der Sexualität nicht auf. Es gibt auch Rassismus gegen Armut. Rassismus der Wohlhabenden, Privilegierten gegen eine ärmere und benachteiligte Bevölkerung. Bei Tonnies wird noch nicht darüber berichtet, wie viele RumänInnen oder BulgarInnen einen schweren Verlauf des Corona Virus erleiden müssen. Wir schämen uns mehr für das billige Fleisch das wir essen, als dass wir mitfühlen, mit den niedriglohn Arbeiterinnen. So ist das eben, das rechtfertigt nunmal unseren Reichtum. Wir schauen uns ein Video von Clemens Tönnies an, wie er auf einer Firmenfeier selbstverliebt von Udo Lindenberg „ich mach mein Ding“ singt. Die Mitarbeiter klatschen. 

Die Pol*innen die zum Spargelstechen kommen, trotz Corona, und es gab Todesfälle, schaffen es kaum in die Nachrichten und wenn dann nur mit dem fahlen Beigeschmack, dass wir froh sind, dass wir mit unseren Steuergeldern, nicht auch noch die Spargelbauern unterstützen müssen. Das Geld brauchen wir für Elektroautos. Rassismus beruhigt den weißen, wohlhabenden, heterosexuellen Westen. Er gibt ihm das Gefühl, etwas Besseres zu sein.

Ich glaube Rassismus kommt mit Privilegien. Wer privilegiert ist, möchte es bleiben, er nimmt das Unglück des anderen in Kauf, obwohl es eine Ungerechtigkeit ist. 

Heute wird berechtigt gesagt, check your white privileges, ich würde sagen, check all your privileges.

Durch die brutale Ermordung von George Floyd in Amerika, das sich einen rassistischen Präsidenten gewählt hat, hat das Rassismusproblem zum Glück wieder eine große Aufmerksamkeit bekommen. Hoffentlich ändert sich etwas. 

Magdalena Kosch

Ich bin im Dezember 1993 In Frankfurt am Main geboren. Aufgewachsen in einem Dorf mit meinen Eltern und meinem Bruder, einem schwarz-weiß gepunkteter Dalmatiner, der immer an meiner Seite war.
In meiner Jugend habe ich alles an Hobbys ausprobiert. Das Leben hat einfach zu viel zu bieten, als dass man es nicht davon kostet. Die Welt ist groß und will entdeckt werden. Das Motto gilt auch noch heute.

In der Schule fing ich mit Theater an. Es wurde der Ort, an dem ich mich Zuhause fühlte und
2016 machte ich es dann zu meinem Leben. An der Zürcher Hochschule der Künste studierte ich Schauspiel und wechselte nach einem Austauschsemester an die Kunstuniversität Graz.
Jetzt spiele ich in Osnabrück am Theater. Aber nur bis zum Sommer und was dann kommt, weiß nur der Wind. Aber dem lausche ich am Liebsten.

Durch Eddy entdecke ich radikale Ehrlichkeit – sich selbst und anderen gegenüber – und dass Ausweichen letztlich keine Lösung ist. Es ist immer eine Entscheidung und man ist so oft so viel stärker als man denkt. Man hat die Kraft und den Mut sich seiner Wahrheit zu stellen. Und das birgt die Chance sich selbst zu finden und das Leben zu leben, was das eigene ist. 

Jonathan Berlin

Thomas Hold

Thomas Hold wurde 1991 in Wien geboren. Im Alter von 10 Jahren begann er Tanzunterricht in Lateinamerikanischen- und Standardtänzen zu nehmen, sowie Ballett und Jazzdance.

Noch vor seinem Studium war er in Wien u.a. am Theater Akzent, Wiener Off-Theater sowie am Atelier Theater zu sehen. Weitere Stationen waren die Salzburger Festspiele und Auftritte in New York City im Rahmen der New York Film Academy.

Seit 2018 studiert er Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Schon während des Studiums war er als Gast am Volkstheater Rostock engagiert („Soldat“ in Andorra) und zeigte mit seinem Jahrgang eigene Arbeiten beim „Freisprung Theaterfestival MV“ in Rostock.

„Das Ende von Eddy“ ist für mich eine Geschichte des Lebens. Des Überlebens. Wie ein kleiner homosexueller Junge auf dem Weg ist sich selbst zu finden. Kein einfacher Weg. Kein einfaches Schicksal. Daher umso wichtiger diese Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte für Außenseiter, die nur wegen der toxischen heteronormativen Erzählweise unserer Welt zu Außenseitern wurden. Die Kraft des Überlebens. Die Kraft, die jedem gegönnt sei. Nicht aufgeben. Nicht aufhören an eine bessere Zukunft zu glauben. Immer weiter machen. Wie Oscar Wilde es so schön sagte „Ende gut alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es auch noch nicht zu Ende“. 

Katharina Goebel

Katharina Leonore Goebel wurde 1989 in Rosenheim geboren und studierte von 2010 bis 2014 Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Nach ihrer Ausbildung war sie zwei Jahre lang als Ensemblemitglied am Theater Heilbronn engagiert. 2016 gründete sie gemeinsam mit Anastasija Bräuniger das FLUGWERK und arbeitet freischaffend als Schauspielerin an unterschiedlichen Theatern sowie in der freien Szene, u. a. am Staatstheater Wiesbaden im Rahmen der Performance-Biennale, am Schauspielhaus Bochum, dem Grillo-Theater Essen sowie zuletzt am DNT Weimar. Daneben steht sie regelmäßig für diverse Kino- und Fernsehfilme vor der Kamera. Im vergangenen Jahr schloss sie außerdem eine einjährige Ausbildung zur Mediatorin ab und machte für sechs Monate ein Volontariat beim Kompetenzzentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes .Anschließend war sie ein halbes Jahr lang als Projektkoordinatorin für das europäische Architekt*innen-Netzwerk Constructlab tätig.Sie lebt und arbeitet in München und Berlin.

‚Man kann es als ein bedeutendes Buch des geistigen und politischen Widerstands lesen. Ein unterworfenes Subjekt steht auf und bietet den Kräften der Normierung und Unterwerfung die Stirn.‘ – Dieses Zitat von Didier Eribon aus seinem Buch ‚Rückkehr nach Reims‘ bringt auf den Punkt, worum es für mich im Kern von ‚Das Ende von Eddy‘ geht: den sehr persönlichen Kampf eines Jungen mit permanenter Entwertung und Diskriminierung auf Grund seiner sozialen Herkunft und sexuellen Orientierung und seinen Umgang mit der damit einhergehenden Erfahrung psychischer und körperlicher Gewalt.

Michael Rotschopf

Seine Ausbildung zum Schauspieler erhielt der Österreicher am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Bereits während der Ausbildung spielte er am Burgtheater Wien, dem er fünf Jahre lang als festes Ensemblemitglied angehörte. In dieser Zeit arbeitete er u. a. mit den Regisseuren Hans Hollmann, Adolf Dresen und Achim Benning zusammen. 1996 bekam er den O. E. Hasse-Preis der Berliner Akademie der Künste von Peter Zadek, Martin Benrath und Michael Heltau verliehen.

Weitere Stationen seiner Theaterkarriere waren u. a. das Volkstheater sowie das Akademietheater in Wien und das Schauspiel Frankfurt. Er arbeitete mit Regisseuren wie Hans Hollmann, Achim Benning, Adolf Dresen, Michael Simon und Matthias Hartmann. Peter Stein engagierte ihn im Jahr 2000 anläßlich der Expo in Hannover für sein FAUST-Projekt mit Bruno Ganz. 2007 folgte WALLENSTEIN am Berliner Ensemble und 2008 DER ZERBROCHENE KRUG, jeweils mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle. Er gastierte in den letzten Jahren immer wieder bei den Salzburger Festspielen, so 2014 in EIN SOMMERNACHTSTRAUM, 2015 in EINE SALZBURGER DREIGROSCHENOPER und 2016 in DER IGNORANT UND DER WAHNSINNIGE, eine Produktion, die ihn wieder zurück an das Wiener Burgtheater führte. 2018 war er an zwei Produktionen der Staatsoper Unter den Linden beteiligt, in der GESCHICHTE VOM SOLDATEN von Igor Strawinsky und in KING ARTHUR von Henry Purcell. Mit KING ARTHUR war er später auch im Theater an der Wien zu sehen. 

Michael Rotschopf ist zudem als  Interpret von Hörspielen und Hörbüchern aktiv. In der US-Erstaufführung von Bernd Alois Zimmermanns REQUIEM FÜR EINEN JUNGEN DICHTER in der New Yorker Carnegie Hall trat er als Sprecher auf und gastierte damit später in Paris, London und Berlin. Seit 1998 ist er parallel zur Theaterarbeit in einer Vielzahl von Film- und Fernsehrollen vertreten, u. a. in den Reihen STRALSUND, TATORT, WILSBERG oder SOKO LEIPZIG. Die Serie KRIMINALDAUERDIENST (KDD), in der er von 2007 bis 2010 als Ermittler zu sehen war, gewann den Deutschen Fernsehpreis sowie den Grimme-Preis. 

Franz Hartwig

Caya Krakor

Im Versuch, mir selbst so treu wie möglich möglich zu bleiben, durfte ich verschiedenste Erfahrungen sammeln, positiver und negativer Natur. Ich bin mir selbst meine liebste Bekannte geworden; im Versuch, mir so gerecht wie möglich zu werden, meine eigene Mutter. Ich möchte zeigen, das ein Weg wie meiner nicht immer von Schmerz, Diskriminierung und Angst geprägt dein muss, das der Zwang einer Cis-heteronormativen nicht die Macht über uns hat, die wir in ihr zu sehen glauben. Schauspiel war dazu schon immer mein liebstes Mittel der Wahl. Es reizt mich, andere Perspektiven einzunehmen, einer Idee Projektionsfläche zu bieten und mich so noch besser kennenzulernen – neben all den wunderbaren Menschen, die ich so in meinem Leben schon willkommen heißen durfte.

„Ralph Ellison schrieb einmal: ‚Wenn ich entdecke wer ich bin, werde ich frei sein‘, einen Satz, der mir seit meiner Arbeit am Eddy-Projekt immer wieder gute Dienste geleistet hat. In meinen Augen ist Identität eines der zentralen Themen des Stücks – die eigene, die es gegen die unwirtlichlichsten Widerstände zu erhalten und verteidigen gilt. Die Identität einer Masse, die den Stimmen der einzelnen Ausdruck verleiht. Eddy hat mir gezeigt, das meine Identität mein wohl mächtigstes Werkzeug im Kampf gegen Diskriminierung jeglicher Art ist, ob Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie. Das wir nicht die Summe dessen sind, was uns geschieht, sondern die Summe dessen, was wir daraus machen.

Felix-Elian Lau

„Die Schulzeit sollte die entspannteste Zeit im Leben sein“ war das Prinzip, mit dem ich bisher durch mein Leben gegangen bin und mit einer imaginären Tasse Tee in der Hand, möchte ich auch weiter durch mein Leben gehen. Nebenher Schauspielen tue ich, um mir weiter meine Kreativität und das Kind in mir bewahren zu können. Das Eddy-Projekt verbindet für mich beides. Denn Eddy hatte einen großen Teil seiner Kindheit keine angenehme Schulzeit gehabt und genau das ist es, was ich später mal als ein Sozialpädagoge oder ähnliches verhindern möchte.

Für mich steht das Stück für Hoffnung. Die Hoffnung, dass man aus jeder noch so erdrückenden Lebenslage rauskommen kann, um dann seinen Weg als eine stärkere Person fortsetzen zu können. Manche Menschen brauchen dafür Hilfe, andere schaffen es allein, aber dass man es schaffen kann, daran besteht kein Zweifel für mich

Emma Damerow

Ich war schon immer fasziniert vom Theater! Es verbreitet so ein ganz besonderes Feeling von
dem ich ein Teil sein wollte und will.
Ich tanze seit ich klein bin und hab dann später auch angefangen selbst Theater zu spielen und
seitdem lässt es mich nicht mehr los. Ich finde es spannend jedes Mal jemand anderes sein zu
können und trotzdem sich selbst darin zu finden. Manchmal hab ich dann das Gefühl, dass ich
meine Gedanken dazu selbst noch nicht ganz greifen kann, aber vielleicht macht auch genau das
den Reiz für mich aus.
Im Moment mache ich ein Freiwilliges kulturelles Jahr in der Komischen Oper in der Dramaturgie,
wo ich sehr viel aus der Arbeit an einem so großen Theater mitnehmen kann.

Träumen, Erkennen, Wachsen. Ich denke es gibt viele Wörter wie man „Das Ende von Eddy“
beschreiben kann, aber so spontan erscheinen mir diese am passendsten.
„Eddy“ hat mir gezeigt, dass es wichtig ist Taten und Dinge zu hinterfragen. Das wir uns nicht
einfach davon distanzieren können, sondern sie uns immer etwas angehen. Ich bin mir in der
Arbeit bewusst geworden, dass wir alle was zu sagen haben und dass das wichtig ist.
Ich finde es unwahrscheinlich wichtig das wir diese Stück machen, auch in Zeiten von Corona,
weil wir mit dem Theater in einen Austausch treten können und so unsere Stimme finden trotz der
Einschränkungen die zurzeit gelten.

Lisa Hagemann

Eddy hat mir gezeigt, dass die Vergangenheit eben nur das ist, vergangen. Man kann sie nicht ändern, nur wie man damit umgeht. Es geht darum, was man mit dem Geschehen macht und wie man mit diesen Erinnerungen seine eigene Zukunft neu formen kann, ohne sich dessen zu schämen oder zu ihrer bemitleiden. Die Fehler der Vergangenheit zu sehen und zu versuchen, sie nicht zu wiederholen. Weiter auf eine Zukunft zu hoffen und sich nicht unterkriegen lassen, wenn mal alles scheiße ist.

Eddy hat mir geholfen, den Kontakt mir meinem Vater nach einigen Jahren wiederaufzunehmen ohne die vergangenen Konflikte wiederaufleben zu lassen, sie trotzdem nicht zu vergessen und zu akzeptieren, dass sie geschehen sind und den Einfluss auf unsere neue Beziehung nicht zu vernachlässigen, aber sie auch nicht davon überschatten zu lassen.

 

Mika Sander

„’Theater, Theater der Vorhang geht auf …‘ So lässt sich das eigentlich ganz gut beschreiben, was ich so bisher gemacht habe. Viel musiziert und noch mehr Theater gespielt, so das für anderes eigentlich nicht mehr viel Zeit blieb. Jetzt muss ich gucken wie ich aus dieser Misere doch noch ein vernünftiger Mensch werde und nicht am Ende zu einem Schauspieler oder Musiker verkomme, aber erstmal muss ich das Eddy überstehen. Mann, Mann, Mann…“

„Was das Ende von Eddy für mich bedeutet. Ich habe sehr lange überlegt, wie ich das formulieren soll. Letzten Endes ist folgendes dabei rausgekommen. Für mich ist die Rolle des Theaters so faszinierend an Eddys Geschichte, da ich selbst eine große Leidenschaft für Theater habe und das Gefühl der Freiheit, des Loslassens, welches du auf der Bühne bekommst, ebenso liebe. Diese Kraft des Theaters, egal was die anderen sagen, einfach zu spielen und zu leben, ist was das Ende von Eddy für mich bedeutet. Die Kraft für sich selbst einzustehen und stolz zu sein, weil man so ist, wie man ist.“

DAS TEAM

Alexander Weise - REGIE

Geboren in Datteln/Ruhrgebiet absolvierte er seine Schauspielausbildung an der Westfälischen Schauspielschule Bochum. Es folgten Engagements am Schauspielhaus Bochum und dem Theater Graz.

Seit 2005 arbeitete er u.a. am Maxim Gorki Theater, an der Volksbühne, dem GRIPS-Theater und den Sophiensälen sowie Staatsschauspiel Stuttgart, Metropoltheater München, am Schauspiel Frankfurt, Schauspiel Bonn, Staatstheater Dresden oder als Ensemblemitglied am Staatstheater Kassel.

Seit 2009 erarbeitet er regelmäßig Sprechchöre für Theaterproduktionen u.a. am Staatsschauspiel Dresden, am Staatstheater Stuttgart, Schauspiel Frankfurt, dem Theater Magdeburg oder dem Staatstheater Kassel.

Am Residenztheater war er zuletzt in Schillers „Die Räuber“ (Regie: Ulrich Rasche) als Schufterle zu sehen und zeichnete sich ebenfalls für die Sprechchöre der Inszenierung aus.

Die Inszenierungen „Die Räuber“ und „Das große Heft“, ebenfalls in der Regie von Ulrich Rasche, wurden jeweils zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen.

In Film und Fernsehen ist er u.a. neben Gastauftritten in Serien wie Deutschland’89, Letzte Spur Berlin oder SOKO Leipzig durchgehend als Uwe in der zweiten Staffel von „Andere Eltern“ (Sky/TNT) zu sehen.

Seine letzte Chorarbeit war mit Karin Henkel gemeinsam an MEDEA am Residenztheater München ebenfalls mit Kindern und Jugendlichen. 

„Das Ende von Eddy oder Wer hat meinen Vater umgebracht“ ist seine erste komplett eigene Regiearbeit.

Nicole Zielke - BÜHNE und KOSTÜM

Nicole (Nico) Zielke studierte Theaterwissenschaften und Bühnenkostüm in München und Berlin. Nach ihrem Studium arbeitete sie in der Ausstattung von Film, Musikvideos und Werbung sowie von Theater und Oper. 2003 wurden ihre Kostüme beim International Film Festival Rio de Janeiro ausgezeichnet. 2005 erhielt sie für „Sobald fünf Jahre vergehen“ (Regie: Sebastian Schug) den Bensheimer Theaterpreis der Jury. Für ihre Arbeit im Bereich Kostüm zu „Iwanow“ unter der Regie von Sebastian Schug wurde sie 2009 von Theater heute als Beste Nachwuchskünstlerin nominiert.  Als freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin u.a. tätig am Nationaltheater Mannheim, Theater Basel, Volkstheater Wien, Schauspielhaus Graz, E.T.A. Hoffmann Theater Bamberg, Staatstheater Kassel, Theater Lübeck.

David Schwarz - MUSIK und KOMPOSITION

David Schwarz hat Filmmusik, klassisches- und Jazzklavier in München, Jerusalem, Potsdam-Babelsberg und Weimar ( u.a. bei Leonid Chizhik) studiert. Konzertreisen u.a. mit dem Goethe-Institut führten ihn nach Israel, Italien, Lettland, Frankreich, Großbritannien und in die Schweiz.

In den letzten Jahren hat er vor allem durch seine Chor- und Vokal Kompositionen auf sich aufmerksam gemacht, die u.a. im Vatikan sowie an vielen namhaften Schauspielhäusern im In- und Ausland (Schauspielhaus Zürich, DT Berlin, Staatstheater Darmstadt uvm.) von Laien- als auch Profichören aufgeführt wurden. Er selber sieht sich als Vermittler zwischen den Welten von Profi und Amateurmusikern sowie ernster- und populärer Musik.

Mit Alexander Weise hat er bereits am Theater Magdeburg („Antigone und Ödipus“ und „die Präsidentin“) zusammengearbeitet. Sie entwickelten dort eine einzigartige Methode das Sprechen und Singen im Chor organisch miteinander zu verschmelzen.

Marc Lippuner

Leiter der WABE

Lennart Berger

Produktion/PR

Ela Zorn

Pädagogische Beratung

FOTOS

PROBEN

PRESSE

Pressematerial: Bitte über info@eddy-projekt.de erfragen. Vielen Dank!

Im Rahmen der Berichterstattung ist die Verwendung der bereitgestellten Fotos kostenfrei.

Nachtkritik:

„Das Eddy-Projekt – Wabe Berlin – Alexander Weise erzählt mit Jugendlichen, mit Alexander Fehling und mit Édouard Louis‘ Romanen von Klasse, Emanzipation und Wut

Bellegueule kommt zurück

von Georg Kasch

Berlin, 25. August 2021. Was ist mit diesem Typen los? Ein Mann steht im Licht und hadert. Denkt nach, zögert, spricht. Wägt ab, prescht plötzlich vor in seiner Argumentation, die er mehr sich selbst als einem imaginären Gegenüber vorträgt. Es ist Édouard Louis‘ Abrechnung mit einem Staat und seinen politisch Verantwortlichen, die aus Menschen wie seinen Eltern Verlierer gemacht haben. Die nicht wissen, dass, wenn man eine Sozialleistung um fünf Euro kürzt, bei vielen eine Welt zusammenbricht. Und es ist Alexander Fehling, der allein den Raum beherrscht. Dessen Körper hier denkt und dessen Worte manchmal für Sekunden in der Luft zu hängen scheinen, als ließe sie sich zurückholen, wenn eine Formulierung nicht trägt.

Zwischen Arbeiterklasse und Bildungselite

Eddy Bellegueule ist erwachsen geworden in Alexander Weises „Das Eddy-Projekt“. In seinem autobiografischen Erstling „Das Ende von Eddy“ (En finir avec Eddy Belleguelle, 2014) schildert Louis seine Herkunft, das prekäre Milieu seiner Eltern, in dem er – begabt, aber vor allem: schwul – wie ein Monster wirkt. Seine Anwesenheit, sein Anderssein stellt sowohl das Selbstverständnis als auch die Selbstzufriedenheit der Arbeiterklasse in Frage, Ablehnung, Mobbing, Gewalt inklusive. In „Wer hat meinen Vater umgebracht“ (Qui a tué mon père, 2018) schickt Louis dann eine Art Entschuldigung hinterher. Es ist eine verspätete Liebeserklärung an den Vater, zugleich eine Anklage.

Herkunft im prekären Milieu: „Das Eddy Projekt“ nach Édouard Louis in Berlin © Berta PR

 Beide Romane (man könnte sie auch als autobiografische Essays labeln) werden erstaunlich oft fürs Theater adaptiert. Alexander Weise, Schauspieler und Sprechchortrainer bei Ulrich Rasche und Karin Henkel, inszeniert sie als eine Art Entwicklungsroman: zunächst der Jugendfuror, dann das erwachsene Begreifen. Und zwar im Berliner Kulturzentrum Wabe, im Schatten der Plattenbauten des Ernst-Thälmann-Parks unweit der Neobiedermeierkieze von Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Ein Ort also zwischen Arbeiterklasse und Bildungselite, den beiden Polen von Édouard Louis‘ Biografie.

Im ersten Teil lässt Weise vier junge Schauspieler:innen und fünf jugendliche Laien chorisch auf Eddys Klagegesang los, auf all die plastischen Beschreibungen von Armut und Brutalität, seinem Kratzen an der Oberfläche, bis es blutet und seine Wut, sein Trotz, sein Selbstmitleid hemmungslos wird.

Coming-Out-Geschichte

Entsprechend steigern sich die neun Spieler:innen zuweilen bewegend, mitunter exaltiert in den Text, während David Schwarz am Rand mit Loops und Gitarren einen treibenden Sound entwickelt. Auf der achteckigen zentralen Spielfläche gehen sie im Kreis um vier Neonröhren in der Mitte, ein leeres Zentrum. An den Rändern liegen Laub, eine verrostete Satellitenschüssel, eine leere Tonne, ein abgerockter Mülleimer.

Diese Milieu-Marker wären gar nicht nötig gewesen. Denn indem Weise nie illustriert, sondern den Text in den Mittelpunkt stellt, ihn rhythmisiert, in den stärksten Momenten Klangskulpturen baut, entgeht der Abend jeder Pädagogik-Falle. Weil sich die Spieler:innen die Texte zuwerfen wie Bälle, schält sich das Allgemeine der Coming-out- und Coming-of-Age-Geschichte heraus.

Hamlets Wüten

Erinnert der erste Teil oft an ein ambitioniertes Jugendtheaterprojekt – Längen ebenso inklusive wie Momente taumelnder Kraft –, ist der zweite hochkonzentriertes Kopfkino. Alexander Fehling – in späteren Vorstellungen übernehmen Jonathan Berlin, Michael Rotschopf und Franz Hartwig –, der (vermutlich wegen seiner Filmarbeiten) nur noch sporadisch Theater macht (zuletzt Eines langen Tages Reise in die Nacht in Wien), wirkt wie ein Hamlet, verwundert, nachdenklich, wütend, der von seinem Vater nicht lassen kann und jetzt versucht, ihm verspätet Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Ein Schmerzensmann, in dem es immer noch gärt und der als Aufsteiger die Leiden seiner Herkunftsklasse trägt. Man hängt an seinen Lippen, die oft eigenwillige Pausen schmerzhaft dehnen, um einen Perspektivwechsel deutlich zu machen. Bei ihm hat die Abrechnung mit Frankreichs Politik (die sich ansatzweise auch auf deutsche Verhältnisse übertragen lässt, Stichwort: Hartz-IV) nichts Polemisches, sondern etwas Folgerichtiges. Gerade weil Fehling die Gedanken so allmählich aus sich herausschält, wirkt der Schlusssatz auf unheimliche Weise konsequent: „Ich glaube, was es bräuchte, das ist eine ordentliche Revolution.“

Stage and Screen:

„DIE WIRKLICHKEIT UMKREISEN

Édouard Louis: Das Ende von Eddy oder Wer hat meinen Vater umgebracht (Das Eddy-Projekt), WABE, Berlin (Regie: Alexander Weise)

Von Sascha Krieger

„Was es jetzt bräuchte, das ist eine ordentliche Revolution“. Jonathan Berlin* hat das zentrale Oktagon, das an diesem Abend als Bühne dient, bereits verlassen, den Rucksack übergeworfen, hält er vor der Ausgangstür noch einmal inne und spricht den Schlusssatz. Er formt jedes Wort für sich, stellt es skulpturengleich in den Raum, lässt es nachklingen, wirken, in die Zusehenden einsinken. Ein ungeheuerlicher Satz, mit kältester Ruhe vorgetragen. Ein Fazit, eine Schlussfolgerung, die einzig mögliche. In zwei Teilen widmet sich dieser dreieinhalbstündige Abend der Geschichte des Eddy und seines Vaters, basierend auf den autobiografischen Werken von Édouard Louis, seiner Auseinandersetzung mit Kindheit und Jugend als schwuler Junge in einer Arbeiterklassefamilie, mit der systematischen Verdrängung Armutsbetroffener aus der Gesellschaft, mit einer Familie zwischen toxischen Männlichkeitsidealen, politischer Manipulation und Überlebenswillen. Der Abrechnung seines Erstlings Das Ende von Eddy folgte die Versöhnung mit dem Vater, das Eingeständnis, dass der wahre Feind ein gemeinsamer ist, litaneihaft aufgezählt in den Namen französischer Politiker aller vermeintlichen Richtungen.

Die Abschiedsszene am Schluss ist eine Spiegelung jener des ersten Teils. Da verschwinden die fünf jugendlichen Spieler*innen langsam, während die vier erwachsenen Schauspieler*innen zurückbleiben. Eine Emanzipation, ja, aber auch ein Zurücklassen, ein Abschneiden eines Teils der eigenen Identität. Denn zuvor waren die neun gemeinschaftlich Eddy. Alle anderen Rollen – die mobbenden Mitschüler, die ambivalenten Eltern – sind internalisiert, Projektionen des Protagonisten, gefiltert durch seine Wahrnehmung und seinen Schmerz. Umso schwieriger gerät die Annäherung an den Vater, der sich trennen muss vom eigenen Bild, von der Wirkung auf den Sohn, der sich ebenso emanzipieren muss wie dieser. Und der der rote Faden dieser Inszenierung ist, auf den alles zurückfällt, der alles repräsentiert, der all den Schmerz des Sohnes exorzieren muss, weil er viel zu viel mit dem eigenen zu tun hat.

Es ist ein Kreisen wie die ersten zwei Stunden dieses Abends. Die Spieler*innen gehen im Kreis, probieren Posen aus, erwünschte, unerwünschte, exaltieren sich im Anderssein und werden zu mechanisch blutleeren Robotern zugeschriebener Männlichkeitsbilder. Und sie umkreisen einander, oft in Zweierkonstellationen, die Zwiegespräche sind mit sich selbst und durch diese mit den, mit dem Anderen, nicht vom Selbst Trennbaren. Dem Vater, der Mutter, dem privaten Trauma, das ein kollektives ist. Und so wechseln die Rollen schnell, aus Soli wird chorische Gemeinsamkeit, aus Zweiergruppen zerfaserte Fragmente eines Wir. Und immer geht es im Kreise, der einzige Ausweg ist der des Schlusses: der Abschied, der auch einer vom Ich ist.

Das ist sorgsam inszeniert, präzise choreografiert (Regiedebütant Alexander Weise ist nicht nur Schauspieler, sondern zeichnete auch für die Sprechchöre beispielsweise in Inszenierungen Ulrich Rasches verantwortlich), mitunter vielleicht ein wenig redundant und repetitiv, doch auch das passt ins Konzept des Nicht-von-der Stelle-Kommens. Die Queerfeindlichkeit, die Männlichkeitsrituale, die Erniedrigung der sich für das System Kaputtmachenden und dann als nutzlos von der herrschenden Politikerkaste Ausgespieenen – sie alle sind untrennbar verbunden, sind eins, bedingen, verursachen einander. Wer unten ist, hat weiter nach unten zu treten, irgendjemand ist da, den es zu treffen gilt, jemand der gesellschaftlich noch niedriger bewertet wird. Die „Ausländer“, die „Schwulen“, sie brauchen eine Entsprechung auch im Kleinen, in der Verachtung der von Sozialhilfe lebenden Nachbarsfamilie oder eben der Ausgrenzung des eigenen Sohnes. Doch betont der Abend immer wieder die Widerständigkeit jener, die die Politik nur als Namenlosen wahrnehmen kann. Die Verdammung des schwulen Sohnes misslingt wie am ende auch die Projektion der eigenen Misere auf vermeintlich noch „Schwächere“.

Es ist ein rhythmischer Abend, ein Zusammen- und Gegeneinanderspiel von David Schwarz‘ Sound-Loops, den mit- und gegeneinander choreografierten, stets im Kollektiv auch individuell bleibenden Körper (jedes Eddy-Fragment ist anders), rhythmisierten und immer wieder auch aus dem raster fallenden Sprechens, ein kakophonisches Durcheinanderpurzeln physischer Zitate, Rollen, in die sich die Körper nie ganz einpassen lassen, gegen die sie sich sträuben und welche sie doch gefangen nehmen, wenn auch nie ganz. Es ist ein Ringen mit Erwartungen, fremden, eigenen, mit halb erkämpften Identitäten und aufgepfropften Zuschreibungen, der im ersten Teil starke, intensive Momente, Bilder, Gesten, Bewegungen, Sounds findet, im zweiten dagegen ein wenig abflacht. Das Solo verplätschert ein wenig in der Suche nach dem richtigen Ton. Ihm fehlt die Wut des Textes, die lakonische Rationaliät der Auseinandersetzung mit dem Vater knüpft zu selten an die ratlose Verwirrtheit der Identitätsfindung an, die erneute Suche, die Wiederanknüpfung ist zu sehr Text und zu wenig Spiel. So hält der Abend seine Intensität nicht, auch wenn der Schlusssatz sie noch einmal in Erinnerung ruft. Gescheitert ist das „Eddy-Projekt“ damit jedoch keineswegs. Es ist eine Annäherung, ein Umkreisen, ein Versuchen und Scheitern, ein Suchen des Kerns des Menschlichen, der Gesellschaft, der Realität, eines Kerns, der am Ende vielleicht in Sichtweise ist. Und womöglich auch nicht.“

Berliner Morgenpost:

„Die vielen Seiten eines suchenden Ichs

Faszinierendes Zusammenspiel von jungen Laien, Schauspielern und einem Filmstar: „Das Eddy Projekt“ von Alexander Weise in der Wabe Berlin

Peter Zander

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Das ist nach Richard David Prechts gleichnamigem Bestseller ein geflügeltes Wort geworden. Und das ist quasi auch der dramaturgische Ansatz des spannenden Bühnenabends „Das Eddy Projekt“, das am 25. August in der Wabe Premiere hatte. Schon die beiden biografisch angelegten Vorlagen von Édouard Louis spiegeln ein Ich in verschiedenen Reifegraden.

„Das Ende von Louis“ war 2014 Louis’ phänomenaler Einstand in die Literatur, eine schonungslose, sprachlich schmerzende Beschreibung einer prekären Kindheit in französischer Provinz, mit einem gewalttätigen Vater und ebenso gewalttätigen Kindern, die die Hauptfigur Eddy mobben, verprügeln und verhöhnen, weil er ein Schwuler ist.  So dass ihm am Ende nur eins bleibt: die Flucht.

„Das Eddy Projekt“: ein chorischer, polyperspektivischer Abend

In „Wer hat meinen Vater umgebracht?“ kehrte Édouard als Erwachsener zurück, hat nun einen anderen Blick auf die Vaterfigur, eine späte Wiedergutmachung, ja Liebeserklärung. Und auch eine Anklage gegen die Sozialpolitik, deren Opfer sein Vater geworden ist.

Schon beide Texte dramatisiert gegenüberzustellen, ist reizvoll. Alexander Weise, Schauspieler und Sprechchortrainer etwa bei Karin Henkel, hat diese Doppelperspektive aber noch weiter aufgebrochen. Im ersten Teil sprechen vier junge Schauspieler und fünf jugendliche Laien „Das Ende von Eddy“, teils gemeinsam im Chor, teils einzeln. Sie spucken die gräuslichen Details aus dieser zerrütteten Kindheit hervor, die besonders schlimmen werden mehrfach wiederholt.

Im zweiten Teil steht Alexander Fehling ganz allein auf der Bühne und grübelt selbstquälerisch über seinen Werdegang und den seines Vaters.

Wobei sich die jungen Menschen mehrfach im Kreise bewegen. Im Rhythmus der Loops, die David Schwarz am Rande der Bühne mit wenigen Instrumenten erzeugt. Das Coming-of-Age- und Coming-Out-Drama als vielschichtige, vielstimmige und vor allem das: diverse Auseinandersetzung eines Menschen, der sich erst finden muss, der noch nicht weiß, wer er ist, der weibliche und männliche Anteile in sich spürt. Was hier als große Ensembleleistung gebündelt wird. 

Im ersten Teil ein Chor, im zweiten ein großer Monolog

Der zweite Teil dann ist einem einzigen Star vorbehalten. Alexander Fehling spielt den erwachsenen Rückkehrer. Und schon das ist eine Sensation. Es ist zehn Jahre her, dass Fehling in Berlin auf der Bühne stand, im Maxim Gorki Theater, zuletzt war er noch im Burgtheater zu sehen. Aber diese Auftritte haben Seltenheitswert. Zu sehr ist der Schauspieler mit Filmprojekten eingespannt.

Fehling hat keinen rhythmischen Takt, dem er folgen kann, keine anderen Körper zum An- oder Gegenspielen. Er agiert ganz allein auf leer gefegter Bühne, muss diesen Textkonvolut im Alleingang  bewältigen. Wie ein selbstquälerischer Hamlet grübelt er über sein Verhältnis zum Vater und seinem Werdegang. Ein scharfer Kontrast zum ersten Teil. Ein scharfer Kontrast auch zu dessen chorischer Ensembleleistung. 

Auch diese Perspektive des gereiften Eddy aber wird wieder aufgebrochen: in dem an mehreren Tagen andere Schauspieler diesen Monolog übernehmen. Nach Fehling in den ersten beiden Tagen folgt am 27. August Jonathan Berlin, später folgen Michael Rotschopf (28. August) und Franz Hartwig (31. August und 1. September). Fast eine Verschwendung, dass die all den Text für nur ein oder zwei Abende einstudiert haben. Aber welch ein interessanter Ansatz. Eigentlich möchte man den zweiten Teil auch von den verschiedenen Mimen erleben.

Der Abend ist bei dreieinhalb Stunden ein wenig lang geraten. Er leidet auch ein wenig darunter, dass vor allem die Laien nicht alle gleich gut und gleich stark sind. Aber das Ungelenke und Unfertige ist ja auch Teil dieser Entwicklung. Ein intensiver, spannender Abend,  der dann im zweiten Teil auch sehr politisch wird. Und auch wenn da viele französische Politiker beim Namen genannt werden, können die Missstände und Nöte der sozial schwachen sehr wohl auf hiesige Verhältnisse übertragen werden.“

daskulturblog:

„Ungewöhnlich liest sich der Besetzungs-Zettel des „Eddy-Projekts“, das Alexander Weise im Off-Theater Wabe an der Danziger Straße, wo der Prenzlauer Berg nicht mehr so schick ist und am Ernst-Thälmann-Park noch ein Hauch von DDR-Vergangenheit zu erahnen ist: Er entwickelte den Abend mit Jugendlichen aus dem Kiez, jungen Schauspieler*innen, die noch im Studium sind oder es gerade abgeschlossen haben, und bekannten Film- und Fernseh-Gesichtern.

Dass Alexander Weise auf den großen Bühnen oft mit Ulrich Rasche zusammenarbeitet, ist dieser Off-Theater-Arbeit deutlich anzumerken: der erste Teil ist präzise choreographiert, zentrale Passagen werden im Wechsel mit Soli chorisch gesprochen. Die ersten 90 Minuten konzentrieren sich auf den autobiographischen Roman „Das Ende von Eddy“, mit dem Édouard Louis 2014/15 bekannt wurde. Die quälenden Erfahrungen des Mobbings und die Unsicherheit bei der Selbstfindung des jungen Homosexuellen spielen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr authentisch.

Nach der Pause räumen sie die Bühne für das Solo das Film-Stars Alexander Fehling, der mit Alexander Weise und Ulrich Rasche vor einigen Jahren bei „Dantons Tod“ und „Sieben gegen Theben/Antigone“ am Schauspiel Frankfurt zusammenarbeitete. Den anklagenden Essay „Wer hat meinen Vater umgebracht?“ von 2018, in dem Louis mit der sozialen Schieflage und den Kürzungen in der französischen Politik abrechnete, spricht Fehling als konzentrierten, knapp einstündigen Monolog, der in nachdenklichem Grundton verharrt. Anders als in den Inszenierungen des Volkstheaters Wien und des Münchner Volkstheaters bleibt Fehlings Ton nachdenklich, zu keinem Moment steigert er sich in die Wut-Tiraden hinein, die die beiden genannten Louis-Bearbeitungen prägten.

Während die Stimmung des erzählenden Ichs im Text zwischen Versöhnung und Anklage des Vaters schwankt und im letzten Drittel all die politischen Maßnahmen aufzählt, unter denen der Vater und das Prekariat litten, bleibt Fehlings Vortrag zu gleichförmig. Schon bald, im Oktober, hat das Berliner Publikum die Gelegenheit, zu erleben, in welcher Tonlage der Autor seinen Text performt: bei einem FIND-Gastspiel wird er, falls es die Corona-Lage zulässt, in einer Inszenierung des Schaubühnen-Chefs Thomas Ostermeier live auf der Bühne stehen.

Deshalb wirkt der zweite, so prominent besetzte Teil des „Eddy-Projekts“ wie ein Nachklapp. Facettenreicher, wenn auch teilweise etwas zu exaltiert, wie Georg Kasch in seiner Nachtkritik richtig schreibt, war die erste Hälfte vor der Pause, die vom Zusammenspiel aus Laien und angehenden Profis lebte. Gemeinsam performten sie die Selbstzweifel, demonstrierten die Hüftschwünge und zu hohe Stimmlage, die Louis in seiner Jugend zum Außenseiter machten, stöckelten auf High Heels und sangen Cranberries-Hits.

Vom „Eddy-Projekt“ sind vorerst nur noch wenige Vorstellungen bis 1. September geplant. Der bekannteste Schauspieler im Team, Alexander Fehling, wird nur noch bei der zweiten Vorstellung auf der Bühne stehen. Die Folge-Termine teilen sich Jonathan Berlin, einer der Initatoren des #actout-Manifests in der Süddeutschen Zeitung im Winter 2021, Michael Rotschopf, der zuletzt im „König Lear“ am Renaissance Theater zu sehen war, und Franz Hartwig, der dem Berliner Theaterpublikum noch aus seiner Zeit im Ensemble der Schaubühne bekannt ist.“

 

TICKETS & KONTAKT

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Während der Vorstellung wird auf der Bühne und im Zuschauer*innenraum ein Abstand von 1,5 Meter gewahrt. Der Abstand zu den Darsteller*innen beträgt mindestens 4 Meter. Es gibt ein Belüftungssystem und es wird Lüftpausen geben. Alle Darsteller*innen sind geimpft. Bitte bringt eine FFP2 Maske mit, falls die bis zum Platz oder während der Vorstellung benötigt wird. Das wird auf die aktuelle Lage drauf ankommen. Wir freuen uns sehr auf Euer SICHERES Kommen!

Wenn ihr Fragen und Anregungen habt, schreibt uns gerne. 


     

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